Adventsgeschichte 20: Die helfenden Hände

Mia und Ben schauten sich staunend um, als sie tiefer in den Wald vordrangen. Trotz des kalten Winters waren die Bäume von einem tiefen, satten Grün, und der Duft der frischen Luft war ungewöhnlich – eine Mischung aus Moos, Harz und einem Hauch von Blumen, die niemals verwelken würden. Es war, als ob der Wald selbst lebendig war, als ob er Geheimnisse atmete, die nur darauf warteten, entdeckt zu werden.

Plötzlich hörten sie ein Rascheln aus einem nahegelegenen Busch. Ein kleiner, flauschiger Hase sprang hervor, seine grauen Augen blickten neugierig und intelligent.

„Oh, ihr seid also die Kinder, die durch das Tor gekommen sind. Ich habe gehört, dass ihr auf Reisen seid. Vielleicht könnt ihr uns helfen.“

Mia und Ben starrten den Hasen an, ihre Augen weit geöffnet. „Du kannst sprechen?“ fragte Ben erstaunt.

„Natürlich“, antwortete der Hase. „Aber das ist nicht das, was euch helfen wird. Ihr seht, in diesem Wald gibt es viele Dinge, die repariert werden möchten. Und wir Tiere – nun, wir haben keine Hände.“ Der Hase hüpfte aufgeregt von einem Fuss auf den anderen. „Wir brauchen eure Hilfe, um diese Dinge wieder in Ordnung zu bringen.“

„Was genau müssen wir reparieren?“ fragte Mia, die ein wenig verwirrt war.

„Kommt mit mir“, sagte der Hase und führte sie zu einer Baumgruppe. An einem der Bäume hing ein heruntergefallenes Nest, in dem ein Vogel verzweifelt versuchte, seine zerbrochene Schale zu reparieren. „Seht ihr das? Der Wind hat unser Nest fortgeweht. Wir können es nicht wieder zusammenbekommen, ohne etwas Hilfe. Könnt ihr uns eure Hände leihen?“ sagte er.

Ben trat vor und schaute sich das Nest an. „Es ist ein bisschen wie ein Puzzle. Vielleicht können wir es so wieder zusammensetzen, dass es sicherer ist. Der Hase nickte eifrig. „Und dann gibt es noch den Biber, sein Biberdamm ist gebrochen.

Ben und Mia zögerten nicht und folgten dem Hasen zu einem Bach, wo ein Biber eifrig versuchte, einen Damm zu reparieren. Gemeinsam sammelten sie Äste und Steine, um den Damm wieder aufzubauen.

Der Hase half auch fleissig mit. Plötzlich schwirrten einige Bienen um die Kinder herum. “Was können wir für euch tun?” fragte Ben. “ Uns sind einige Waben zerbrochen und es würde soo lange dauern alles wieder neu zu machen. Nun hoffen wir auf Eure Hilfe.”

„Bienenwaben reparieren?“ Mia überlegte. „Aber wie?“

„Mit euren Händen“, antwortete der Hase geheimnisvoll. „Ihr könnt viel mehr als nur uns bei Reparaturen helfen. Ihr könnt einen wirklichen Unterschied machen. Dafür seid ihr Menschen auf dieser Erde aber ich glaube ihr habt das vergessen. Ihr habt vergessen, dass ihr mit den kleinsten Dingen grosses bewirken könntet, wenn ihr euch eurer Kräfte und Eurer Gemeinschaft bewusst werden könntet. Doch dazu später.”

Neugierig gingen Mia und Ben tiefer in den Wald, geführt von dem Bienenschwarm. Schon Bald sahen sie die Bienenstöcke. Ihre Bauten waren zerbrochen, und viele Bienen schwirrten aufgeregt umher, ohne zu wissen, was zu tun war.

„Unsere Waben! Sie sind zerfallen!“, summte eine Biene traurig. „Ohne sie können wir nicht überleben.“

Mia kniete sich nieder und schaute sich die Bienenwaben genauer an. Sie hatte keine Ahnung, wie sie helfen konnte, aber mit ein wenig Überlegen und Ben, der geschickt mit den Ästen hantierte, fanden sie einen Weg, die Waben wieder zusammenzufügen. indem sie das Wachs vorsichtig in die richtigen Formen brachten, konnten sie alles stabilisieren.

Als die Bienen ihre Arbeit fortsetzen konnten, dankten sie den Kindern. „Ihr habt uns sehr geholfen“, sagte die Biene. „Jetzt können wir euch ein Geheimnis zeigen.“

„Was für ein Geheimnis?“ fragte Ben gespannt.

Die Biene flog voran, summend wie ein winziger Wegweiser, während Mia und Ben ihr durch den leuchtenden Wald folgten. Schliesslich kamen sie zu einer Lichtung, die so atemberaubend war, dass ihnen der Atem stockte.

Die Biene lächelte – oder zumindest stellte Ben sich vor, dass sie lächelte – und flog voraus. „Folgt mir! Das Geheimnis liegt tief im Herzen des Waldes, an einem Ort, den nur wenige je gesehen haben.“

Ben und Mia folgten dem Summen der Biene, durch dichte Baumgruppen und über kleine glitzernde Bäche. Der Wald schien immer magischer zu werden. Schliesslich erreichten sie eine Lichtung, die von einem sanften, goldenen Licht durchflutet war.

Vor ihnen rauschte ein riesiger Wasserfall, dessen Wasser in leuchtenden Farben funkelte, als ob jeder Tropfen von innen heraus leuchtete. Der Donner des Wassers war mächtig, aber zugleich sanft, und die Luft war erfüllt von feinem Nebel, der alles in einen zarten Schimmer tauchte.

Der Wasserfall vor ihnen war wie nichts, was Mia und Ben je zuvor gesehen hatten. Das Wasser stürzte in einer endlosen, majestätischen Bewegung in die Tiefe, doch es war mehr als bloss Wasser. Jeder Tropfen schien aus Licht gewebt, ein schimmernder Regenbogen, der sich ständig veränderte. Die Farben waren lebendig, flossen ineinander und bildeten Muster, die wie Tanzschritte wirkten – eine ewige Choreografie von Bewegung und Harmonie.

Als Mia und Ben genauer hinsahen, bemerkten sie etwas noch Aussergewöhnlicheres: Im Inneren des Wasserfalls tauchten Bilder auf, die sich ständig wandelten. Da war eine schlafende Katze, die friedlich in der Sonne lag, ein Meer, das sich in stürmische Wellen verwandelte, und eine Hand, die eine zarte Pflanze in die Erde setzte. Es war, als ob der Wasserfall Geschichten erzählte – die Geschichten des Lebens selbst.

„Seht ihr das?“ flüsterte Mia ehrfürchtig. „Es zeigt alles … die Freude, das Leid, das Wachsen und Werden.“

„Das ist der Quell von allem, was ist“, erklärte der Reh leise, es hatte sich an Ben und Mias Seite gestellt. „Hier fliessen nicht nur Wasser und Licht, sondern auch die Essenz des Universums. Alles Leben, jede Idee, jedes Gefühl – es entspringt diesem Wasserfall.“

Das Wasser schien zu hören, was der Reh sagte, und veränderte sich erneut. Jetzt zeigte es unendliche Sterne, die am Nachthimmel funkelten, jeder von ihnen pulsierend vor Energie. Dann wurde es zu einer warmen Umarmung zwischen zwei Menschen, zu einer Blume, die aus dem Boden spross, zu einem Kind, das lachend über eine Wiese rannte. Es war die Essenz des Lebens in seiner reinsten Form.

„Es ist wunderschön“, flüsterte Ben, seine Augen weit geöffnet vor Staunen. „Aber es sieht so aus, als ob manche Farben schwächer sind.“

„Das stimmt“, sagte die Biene. „Die Farben und Muster sind das Gleichgewicht des Lebens. Wenn die Menschen ihre Verbindung zur Natur und zu sich selbst verlieren, verblassen diese Farben. Der Wasserfall wird trüb, und die Essenz von allem, was ist, verliert ihre Kraft.“

Mia trat näher heran. Das schimmernde Wasser spiegelte sich in ihren Augen, und sie fühlte, wie etwas in ihrem Inneren zu leuchten begann. „Und wenn wir helfen? Wenn wir unsere Liebe und unsere guten Taten hineinlegen – können wir die Farben zurückbringen?“

„Ja“, sagte das Reh. „Die Essenz des Universums wird von euch allen genährt. Mit jeder Tat der Liebe, mit jedem Gedanken des Mitgefühls, füllt ihr die Quelle und den Wasserfall. Ihr habt zum Beispiel die Möglichkeit so viele Sterne zum Leuchten zu bringen, wie ihr wollt, ihr könnt sogar neue Sterne entstehen lassen. Die Essenz von allem, was ist, reagiert auf euch.“

Ben und Mia legten ihre Hände auf die schimmernden Tropfen. Es war, als ob der Wasserfall sie einlud, Teil von ihm zu werden. Sie spürten ein prickeln, das durch ihre Finger strömte, und vor ihrem inneren Auge erschienen eigene Erinnerungen: das Lachen eines Freundes, das Gefühl, einen Baum zu umarmen, der erste Schnee eines Winters. Die Tiere, denen sie geholfen hatten, das reparierte Vogelnest, der Damm des Bibers, die Waben der Bienen. Sie fühlten die Verbindung zur Natur, die Freude am Helfen und die Kraft der Liebe, die in ihnen strömte.

Mit jedem Bild fühlten sie, wie das Wasser heller und lebendiger wurde.

Plötzlich leuchtete der Wasserfall so intensiv, dass es schien, als würde die gesamte Lichtung im Glanz von tausenden Sterne erstrahlen. Die Farben formten eine neue Geschichte – eine Zukunft, die von Hoffnung, Liebe und Gemeinschaft geprägt war.

„Ihr habt Euer Bewusstsein für Eure guten Taten und die Freude in eurem Leben geschärft. Mit diesem Bewusstsein werdet ihr immer mehr gutes und freudvolles auf die Erde bringen und so wird die Quelle allen seins gefüllt und der Wasserfall kann sprudeln und leuchten“, sagte die alte Eule, die auf einem nahen Ast sass.

„Ihr habt bewiesen, dass die Menschen die stärkste Kraft im Universum sind. Ihre Liebe und ihre Verbindung zur Natur können nicht nur diese Farben, sondern das gesamte Universum erhellen.“

„Dieser Wasserfall der Essenz von allem was ist, steht hier als Symbol. In Wahrheit fliesst diese Kraft durch euch Menschen. Diese Essenz lebt in jedem von Euch. Jeder Mensch hat die Möglichkeit, Gutes zu verbreiten.

Mia und Ben traten zurück, die Tropfen noch auf ihren Händen. Der Wasserfall hatte sich verändert – er war kräftiger, lebendiger, als ob er sang. Und in seinem Lied hörten sie eine Botschaft:

Ihr seid das Licht, die Liebe, die Sterne. Nutzt eure Hände und Herzen, um Alles zu gestalten. Alles, was ihr tun müsst, ist, eure Herzen zu öffnen und eure Hände einzusetzen.

Geht nach Hause und zeigt Euren Freunden und Eurer Familie, dass jede kleine Handlung, jeder Tropfen zählt und dass ihre Hände nicht nur zerstören, sondern auch erschaffen können.

Die Kinder waren sehr ergriffen und als sie sich ansahen, wussten beide genau was jetzt zu tun war.

Mia hob die Lichtkugel vorsichtig über den Wasserfall. Sie schimmerte noch immer wie eine kleine Sonne, doch als sie das tosende Wasser spürte, begann sie sich zu verändern. Ihr Licht wurde weicher, fliessender – wie flüssiges Gold. Es war, als ob sie sich an das Wasser erinnerte, aus dem sie einst entsprungen war.

„Bist du bereit?“ fragte Mia leise, als ob die Kugel sie hören könnte. Sie spürte Ben neben sich, seine Hand kurz auf ihrer Schulter, um sie zu ermutigen.

Mit einem sanften Nicken liess Mia die Kugel los. In dem Moment, als sie die Oberfläche des Wassers berührte, geschah etwas Magisches. Die Kugel löste sich nicht einfach auf – sie wurde selbst zu Wasser. Ihr Licht verschmolz mit den strahlenden Tropfen des Falls, und von der Stelle, an der sie eingetaucht war, breiteten sich goldene Wellen aus. Sie wanderten durch den gesamten Wasserfall und liessen jeden Tropfen, jede Farbe und jedes Muster noch lebendiger erscheinen.

„Seht ihr das?“ flüsterte Ben. „Die Kugel … sie ist jetzt Teil des Wassers.“

„Weil sie es immer war“.

Der Wasserfall reagierte auf diese Wahrheit. Die Muster darin formten die Bilder: zweier Kinder, wie sie im Dorf der Schatten Freude spendeten, ein Vogelnest reparierten, ein Damm, der wieder sicher stand, ein uralter Baum in voller Blüte, und funkelnde Sterne, die voller Hoffnung erstrahlten. Es war ein lebendiges Zeugnis dafür, dass jede gute Tat, jede liebevolle Geste ihren Platz im Grossen und Ganzen hat.

„Die Sterne waren nie verloren“, sagte die alte Eule mit einer sanften Stimme. „Ihr habt ihnen nur geholfen, nach Hause zu finden.“

Die Tiere kamen nacheinander zu Ben und Mia, um sich zu verabschieden. Der Biber umarmte sie mit seinen kräftigen kleinen Armen, die Bienen schwirrten freudig um ihre Köpfe, und der Hase legte seine Pfote sanft auf Mias Hand. „Ihr werdet immer Freunde des Waldes sein“, sagte er mit einem Lächeln. „Vergesst uns nicht, und vergesst nicht, was ihr hier erlebt habt.“

„Wie könnten wir?“ sagte Ben, während er die Hand des Hasen schüttelte. „Ihr habt uns gezeigt, wie viel die kleinen Dinge bedeuten und wie wir alle Teil von etwas Grösserem sind.”

Mia und Ben fühlten eine tiefe Wärme in ihren Herzen, als sie sich umblickten. Mit einem letzten Blick auf den Wasserfall, der nun so strahlend wie die Sonne selbst schimmerte, machten sie sich auf den Weg zurück.

Während sie den Wald verliessen, wussten sie, dass sie etwas Kostbares mitnahmen: die Erkenntnis, dass sie, mit ihren Händen und Herzen, Alles heller und friedlicher machen konnten, so oft sie wollten.

Licht gehört zusammen, wirkt zusammen – und mit jedem guten Gedanken, jedem kleinen Akt der Liebe und Gemeinschaft würde das für jedes Wesen spürbar werden.

– Kreatoren: TEAM von PusteBirke.ch –

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