Am nächsten Morgen saßen Ben und Mia am Küchentisch und studierten die Karte, während draußen der Schnee leise auf die Fensterbank fiel. Die erste Spur auf der Karte führte tief in den verschneiten Wald – an einen Ort, den sie nur vage kannten. Es war ein alter, verwachsener Pfad, den kaum jemand aus dem Dorf benutzte.
„Das ist verrückt“, murmelte Ben, während er mit dem Finger die Linie auf der Karte nachfuhr. „Wir wissen doch gar nicht, was uns da erwartet. Vielleicht sind das nur alte Geschichten.“
Mia schaute ihn an. „Aber was, wenn es keine Geschichte ist? Was, wenn es wirklich zu etwas Besonderem führt?“
Bevor Ben antworten konnte, kam ihre Großmutter ins Zimmer. Sie wohnte seit Jahren bei ihnen und hatte immer einen weisen Rat parat, wenn es kompliziert wurde. Mit ihrem langen, gestrickten Schal und der dampfenden Tasse Tee in der Hand wirkte sie wie aus einer anderen Zeit.
„Was treibt euch denn so früh aus den Federn?“ fragte sie mit einem Lächeln, während sie sich an den Tisch setzte.
„Wir haben etwas gefunden, Oma“, begann Mia und zeigte ihr die Karte. „Es ist wie ein Rätsel – ein Weg, der uns irgendwohin führen soll. Aber Ben glaubt nicht daran.“
Die Großmutter betrachtete die Karte mit scharfen Augen. Sie zog die Lesebrille aus ihrer Strickjackentasche und beugte sich näher heran. „Ah, der Pfad der Sterne“, sagte sie leise, fast ehrfürchtig.
„Du kennst ihn?“ fragte Ben ungläubig.
„Ich habe davon gehört“, antwortete sie, ihre Stimme klang wie ein Echo aus einer anderen Zeit. „Als ich ein junges Mädchen war, erzählte man sich, dass es einen Weg gibt, der zu einem Ort führt, an dem Wünsche wahr werden – wenn man den Mut hat, ihn zu gehen.“
Mia und Ben hielten den Atem an. „Und du? Bist du ihn gegangen?“ fragte Mia.
Die Großmutter schüttelte lächelnd den Kopf. „Nein, ich habe mich damals nicht getraut. Ich war jung und hatte Angst, dass der Weg zu gefährlich sein könnte. Aber ich habe später oft darüber nachgedacht. Es heißt, der Pfad fordert nicht nur deinen Mut, sondern auch dein Vertrauen in dich selbst.“
Ben legte die Karte zur Seite. „Aber was, wenn der Weg zu schwer ist? Was, wenn wir uns verlaufen?“
Die Großmutter nahm einen Schluck Tee und sah ihn dann liebevoll an. „Der Weg ist nie leicht, Ben. Aber manchmal führt er dich an Orte, von denen du nicht einmal wusstest, dass du sie finden wolltest. Der wichtigste Wegweiser ist in Eurem Innern. Solange ihr in Euch selbst hinein spüren könnt, werdet ihr den richtigen Pfad finden.“
Später am Tag, während die Großmutter ein altes Weihnachtslied summte, saßen Ben und Mia immer noch über der Karte. Bens Zweifel waren nicht ganz verschwunden, doch die Worte der Großmutter hallten in seinem Kopf wider.
„Finde dein Innerstes und lass dich davon leiten“, sagte Mia leise und lächelte ihn an. „Ich glaube, wir schaffen das.“
Ben seufzte und nickte. „Okay. Aber wenn wir uns verirren, war das deine Idee.“
Mia lachte und klappte die Karte zusammen. „Abgemacht.“
Am Abend saßen sie alle zusammen vor dem Kamin. Die Großmutter strickte, während draußen der Wind durch die Bäume heulte. Die Kinder bereiteten ihre Sachen vor – warme Kleidung, etwas Proviant und eine kleine Taschenlampe.
Bevor sie zu Bett gingen, legte die Großmutter ihnen sanft die Hand auf die Schulter. „Denkt daran: Der Weg mag schwer sein, aber die größten Abenteuer beginnen oft mit einem kleinen Schritt ins Ungewisse. Und manchmal sind die Hindernisse genau das, was euch stärker macht.“
Mia und Ben nickten. Sie fühlten sich ermutigt, auch wenn sie nicht genau wussten, was sie erwartete. In dieser Nacht schliefen sie mit einer Mischung aus Aufregung und Nervosität ein, während draußen der Sternenhimmel über dem Dorf glitzerte – als ob er sie bereits auf ihrem Weg begleiten wollte.
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