Adventsgeschichte: 08 Der flüsternde Wald – Eine Prüfung des Herzens

Der Wald vor den Kindern wirkte zunächst nicht bedrohlich. Die hohen, knorrigen Bäume schienen von einer feinen Schneedecke überzogen, und ihre Äste bildeten ein Dach, das die wenigen Sonnenstrahlen in tausendfaches Glitzern verwandelte. Es wirkte fast magisch.

„Das sieht wunderschön aus“, sagte Mia und hielt die Lichtkugel etwas höher. Das warme Leuchten spiegelte sich in den schimmernden Schneekristallen wider.

Ben lächelte. „Ich hätte nicht gedacht, dass ein Wald im Winter so einladend sein kann.“

Doch mit jedem Schritt, änderte sich die Atmosphäre. Der Wind verfing sich in den Zweigen und brachte sie zum Flüstern und Raunen – zunächst leise, doch bald klang es wie Worte, die von allen Seiten auf die Kinder ein strömten.

„Hörst du das?“ fragte Ben, sein Lächeln verschwand.

Mia nickte. „Ja, es klingt, als ob jemand redet. Aber ich verstehe nicht, was sie sagen.“

Das Flüstern wurde lauter und deutlicher: „Warum seid ihr hier? Was sucht ihr?“

Ben blieb stehen und sah sich um. Die Stimmen kamen von überall und nirgends zugleich. „Mia, ich glaube, sie sprechen mit uns.“

Mia hielt die Lichtkugel fest. „Ich glaube, du hast recht. Vielleicht müssen wir ihnen antworten.“

„Aber was sollen wir sagen?“ fragte Ben nervös.

Bevor sie eine Antwort finden konnten, fiel ihr Blick auf einen alten, verwitterten Wegweiser, der mitten auf dem Pfad stand. Er schien von der Zeit gezeichnet, aber irgendwie wichtig.

„Was macht ein Wegweiser mitten in so einem Wald?“ fragte Ben.

„Vielleicht zeigt er uns die richtige Richtung“, sagte Mia hoffnungsvoll.

Der Wegweiser hatte drei Schilder, jedes mit einem Symbol: ein Kreis, eine Spirale und ein Stern. Darunter waren Worte in das Holz geschnitzt:

„Nur wer den Weg versteht, darf weitergehen.“

„Ein Rätsel!“ sagte Mia.

Das Flüstern der Bäume schien sich um sie zu verdichten, als wollten sie sie drängen, das Rätsel zu lösen.

„Der Kreis“, sagte Mia nachdenklich. „Er sieht aus wie die Lichtkugel. Vielleicht steht er für unser Licht – das, was uns führt.“

„Und die Spirale?“ fragte Ben.

Mia runzelte die Stirn. „Vielleicht steht sie für den Weg. Er ist nicht immer gerade. Es gibt Umwege, aber sie bringen uns trotzdem voran.“

„Und der Stern?“ Ben blickte in die Lichtkugel, die sanft schimmerte. „Er könnte unser Ziel sein.“

„Aber was heisst das? Wie finden wir die richtige Richtung?“ fragte Mia.

Ben dachte an das, was sie bisher erlebt hatten. „Es geht nicht nur um die Symbole“, sagte er schliesslich. „Es geht darum, was sie bedeuten: Wir müssen auf unser Licht vertrauen, die Herausforderungen annehmen und unser Ziel nicht aus den Augen verlieren.“

Mia nickte. „Ja, das ergibt Sinn. Vielleicht müssen wir einfach zeigen, dass wir bereit sind.“

Sie stellten sich vor den Wegweiser, hielten die Lichtkugel hoch und sagten gemeinsam: „Wir gehen diesen Weg, weil wir auf unser Licht vertrauen und unser Ziel erreichen wollen.“

In diesem Moment begann der Wegweiser zu leuchten, und das Flüstern der Bäume wandelte sich. Es klang nicht länger bedrohlich, sondern wurde zu einem sanften, melodischen Lied. Der Pfad vor ihnen wurde heller, als ob die Bäume ihren Mut anerkannten.

„Es hat funktioniert!“ rief Ben.

„Der Wald wollte nur sicher sein, dass wir wissen, warum wir hier sind“, sagte Mia erleichtert.

Die Kinder folgten dem hellen Pfad und als sie einen umgefallenen Baumstamm entdeckten, der einladend wie eine Bank wirkte, beschlossen sie dort zu rasten.

Ben beobachtete die schmelzenden Eiskristalle auf seinen Händen. Die Erinnerungen an ihre ersten Schritte in diesem Abenteuer tauchten vor seinem inneren Auge auf – die ersten Zweifel, die ersten Prüfungen, aber auch die ersten Funken von Mut.

„Ich will herausfinden, wie es ist, ein Anführer zu sein,“ sagte er schliesslich. „Nicht immer der zu sein, der zurückbleibt. Ich will stark und mutig sein. Und du?“

Mia sah nachdenklich in die Ferne. „Ich wollte etwas Bedeutendes schaffen. Etwas, das zeigt, wer ich wirklich bin.

„Etwas, das zeigt, wer ich wirklich bin,“ wiederholte Mia leise, als ob sie die Worte zum ersten Mal richtig verstand. Sie blickte Ben in die Augen, und für einen Moment war es, als ob die bisherigen Erlebnisse ihrer Reise, nochmal an ihnen vorbei zogen.

Ben nickte. „Ich dachte, stark zu sein, bedeutet, allein mutig zu sein. Aber es bedeutet auch für jemanden da zu sein, der dich braucht.“

Vielleicht ist das der wahre Weg, ein Anführer zu sein – nicht allein zu gehen, sondern jemandem zu helfen, den nächsten Schritt zu machen.“

„Weisst du, was verrückt ist?“ sagte Mia. „Am Anfang dachte ich, dass mein Wunsch nur mich betrifft. Aber jetzt denke ich, dass er viel grösser ist. Ich möchte auch lernen wie ich Gutes in mein Leben und das Leben meiner Familie und Freunde bringen kann.”

„Mia, was glaubst du eigentlich, wie Wünsche wahr werden?“ fragte Ben leise, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern.

Mia schwieg einen Moment, ihr Blick wanderte zum Himmel, der rosa schimmerte und die Abenddämmerung ankündigte. „Ich weiss es nicht genau,“ sagte sie schliesslich, fast so, als würde sie die Worte mehr für sich selbst finden als für Ben. „Manchmal dachte ich, es wäre wie ein Zauber – etwas, das einfach passiert, wenn die Zeit richtig ist. Aber… vielleicht ist es etwas anderes.“

„Was denn?“ fragte Ben, seine Augen suchten ihre.

„Vielleicht,“ begann sie zögernd, „sind Wünsche wie Samen. Sie brauchen die richtige Erde, das richtige Licht, und vor allem – die Geduld zu wachsen.

Die Kinder sassen eine Weile schweigend nebeneinander, während der Wind sanft um sie strich.

– Kreatoren: TEAM von PusteBirke.ch –

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