Adventsgeschichte: 06 Der schmale Grat

Ben und Mia standen am Fuss des schmalen Grats, der sich steil vor ihnen in die Höhe zog. Der Wind heulte durch die Luft und trug Schneeflocken mit sich, die wie kleine Eiskristalle in ihre Gesichter stachen. Der Pfad war schmal und rutschig, an vielen Stellen von Eis überzogen. Rechts von ihnen fiel der Grat steil in eine tiefe Schlucht ab, und links ragte eine Felswand auf, die wie ein kalter Schatten über ihnen thronte.

„Das sieht nicht gerade einladend aus“, murmelte Ben und wich instinktiv einen Schritt zurück.

“Ben gib mir doch mal die Karte, lass uns überprüfen, ob wir wirklich über diesen Grad gehen sollen.”

Die Karte flatterte im Wind, als er sie Mia übergab und bevor Mia einen prüfenden Blick drauf werfen könnte, zerrte der starke wind sie ihr aus der Hand.

“Oh, nein, die Karte ist weg! Jetz kann ich nicht mehr überprüfen, ob unser Weg wirklich hinter die Berge führt”.

Mia schaute Ben erschrocken an. Auch Ben war es sichtbar geschockt und verunsichert.

„Der andere Weg durch den Nebel sah viel sicherer aus.“

Mia schüttelte den Kopf und hielt die goldene Kugel hoch. Sie strahlte in einem warmen Licht, das wie ein stilles Versprechen war. „Die Kugel zeigt uns den Weg. Wir müssen es versuchen.“

Ben sah auf den schmalen Pfad und dann zurück zu Mia. Obwohl er zögerte, wollte er sie nicht allein gehen lassen. „Na gut“, sagte er schliesslich. „Aber wir passen auf, ja? Und wenn es zu gefährlich wird, drehen wir um.“

Mia nickte. „Zusammen schaffen wir das.“

Der Aufstieg war beschwerlich. Sie mussten sich an der Felswand festhalten, während der Wind immer wieder versuchte, sie aus dem Gleichgewicht zu bringen. Der Schnee war tief und rutschig, und mehr als einmal glitt einer von ihnen ein Stück zurück, bevor sie sich wieder fangen konnten.

„Das ist unmöglich“, keuchte Ben, als sie eine besonders steile Stelle erreichten. „Warum hat der Wächter uns nicht gewarnt, dass wir klettern müssen?“

„Vielleicht hat er uns vertraut, dass wir es schaffen können“, meinte Mia, obwohl auch sie ausser Atem war. Ihre Finger waren kalt, und ihre Beine fühlten sich schwer an. Doch in ihrem Inneren spürte sie eine kleine Flamme der Entschlossenheit. Sie wollte nicht aufgeben – nicht jetzt, wo sie schon so weit gekommen waren.

Plötzlich blieb Ben stehen. „Hörst du das?“ fragte er.

Mia hielt inne und lauschte. Zwischen dem Heulen des Windes hörte sie ein leises Geräusch, wie ein tiefes, rhythmisches Brummen. Es schien von irgendwo weiter oben zu kommen.

„Was ist das?“ fragte Ben nervös.

„Vielleicht… vielleicht ist es ein weiteres Hindernis“, sagte Mia zögernd. „Aber wir müssen weitergehen.“

Je näher sie dem Geräusch kamen, desto deutlicher wurde es. Schliesslich erreichten sie eine kleine Plattform, eine Art Rastplatz auf halber Höhe des Grats. Dort, mitten im Schnee, lag ein riesiger, uralter Felsblock. Er war mit seltsamen Mustern bedeckt, die aussahen wie Sterne und Linien, die sich kreuzten. Und das Brummen kam direkt von ihm.

„Das ist unheimlich“, flüsterte Ben und machte einen Schritt zurück.

Mia hingegen ging vorsichtig näher. Sie zog die goldene Kugel aus ihrer Tasche, und in dem Moment, als sie sie dem Felsen entgegenhielt, begann die Kugel heller zu leuchten. Das Brummen wurde intensiver, aber es war nicht bedrohlich – eher wie eine tiefe, beruhigende Melodie.

„Ich glaube, wir sollen etwas tun“, sagte Mia und betrachtete die Muster auf dem Felsen.

„Was denn?“ fragte Ben skeptisch. „Ein Passwort sagen? Ein Rätsel lösen?“

Mia suchte mit den Augen die Linien auf dem Felsen ab, bis sie etwas entdeckte: eine kleine Vertiefung, die genau die Form der Kugel hatte. „Vielleicht… vielleicht soll die Kugel hier rein.“

„Bist du sicher, dass das eine gute Idee ist?“ fragte Ben nervös.

„Nein“, gab Mia zu. „Aber wir müssen es versuchen.“

Zögernd legte sie die Kugel in die Vertiefung. Sofort begann der Felsen zu vibrieren, und die Muster auf seiner Oberfläche leuchteten in einem sanften Goldton. Die Melodie wurde lauter, und plötzlich spürten die Kinder, wie der Wind nachliess. Es war, als ob der Felsen eine schützende Aura um sie herum erschaffen hätte.

„Es ist, als ob der Felsen uns helfen will“, sagte Ben erstaunt.

„Oder uns belohnt, weil wir so weit gekommen sind“, sagte Mia lächelnd. „Vielleicht ist das die erste Prüfung: Vertrauen in den Weg zu haben.“

Der Felsen hörte langsam auf zu vibrieren, und die Kugel wurde wieder frei. Als Mia sie zurück in ihre Tasche legte, bemerkten sie etwas Seltsames: Der Pfad vor ihnen war plötzlich weniger steil und schien sicherer geworden zu sein. Es war, als ob der Felsen den Weg für sie geebnet hatte.

„Das war… unglaublich“, murmelte Ben. „Vielleicht ist das Abenteuer doch nicht so schlecht.“

Mia lächelte. „Sag ich doch. Komm, wir haben noch ein Stück vor uns.“

Mit neuer Hoffnung setzten sie ihren Weg fort. Der Grat war immer noch schmal, aber es fühlte sich an, als ob die goldene Kugel sie schützte. Der Wind hatte sich gelegt, und der Pfad war nicht mehr so gefährlich wie zuvor.

Als sie die Spitze des Grats erreichten, konnten sie ihr Dorf in der Ferne sehen, das unter einer Schneedecke friedlich schlummerte.

„Wir haben es geschafft“, sagte Ben erleichtert.

„Bis hierher“, antwortete Mia. „Aber ich glaube, das war nur der Anfang.“

– Kreatoren: TEAM von PusteBirke.ch

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